Sonntag, 6. Januar 2013
Gabun - Land der Widersprüche
Welche Stadt, meint ihr, hat den höchten Pro-Kopf Champagnerverbrauch der Welt? Nein, nicht Paris, nicht Las Vegas, sondern - Libreville, die Hauptstadt Gabuns.
Was den wirtschaftlichen Umsatz betrifft, zählt Gabun zu den reichsten Ländern Afrikas. Der Reichtum beruht zum allergrößten Teil auf dem Export von Erdöl, daneben werden in Gabun noch Tropenholz, Mangan, Uran, Gold und andere Rohstoffe gefördert...
Dieser Reichtum bringt teilweise bizarre Umstände mit sich: Z.B. gibt es in Lambarene einen riesigen Flughafen, der aber so gut wie nie genutzt wird. In jeder Kleinstadt gibt es einen Supermarkt, in dem man Käse, Wein oder Kaffee aus Frankreich kaufen kann. Die Menschen in den umliegenden Dörfern dagegen können sich dagegen gerade mit selbstangebautem Maniok und Banenen über Wasser halten.
Es ist also der Kontrast zwischen traditioneller Lebensweise und erbarmungsloser Globalisierung, der überall in Afrika, aber in Gabun ganz besonders offensichtlich wird.
Gabun gilt also als reiches Land - ob das allerdings etwas Gutes ist, wage ich zu bezweifeln: Die gesamte Wirtschaft beruht auf dem Export von Rohstoffen. Es gibt weder eine funktionierende Industrie noch Landwirtschaft im Land. Ich fand es schon etwas verstörend, zum ersten Mal auf den so gern romatisierten afrikanischen Markt zu gehen - um dann herauszufinden, dass der Großteil der Waren aus Europa importiert ist. Tomaten, Paprika, Karotten, man findet hier fast alles, aber meist sind es die gleichen Produkte wie bei uns zu Hause, nur schlechter und teurer.
Ja, die Lebensmittelpreise sind hier tastächlich teurer wie bei uns. Wer sich ausschließlich von Maniok, Yams und Bananen ernährt, wird wahrscheinlich schon günstig wegkommen, aber für Alles, was darüber hinausgeht, zahlt man die Importkosten mit.
Vieles kommt übrigens auch aus Kamerun und den umliegenden Ländern, die nicht wie Gabun mit Rohstoffen "gesegnet" sind - dort hat sich eine funktionierende Landwirtschaft entwickelt.

Die Segnungen des Ölreichtums machen sich auch an der Einstellung vieler Gabuner bemerkbar: Wer in irgendeiner Weise am großen Geld teilhaben kann - meist über ein Familienmitglied, dass in der Ölindustrie oder in der Regierung arbeitet - verliert jeglichen Anreiz zu eigener Initiative. Der Geschäftssinn fehlt dann oft völlig. Das ist natürlich mein subjektiver Eindruck, aber er wird auch von vielen Afrikanern bestätigt: Besonders von den zahlreichen Einwanderern aus Kamerun, dem Senegal, Mali, Nigeria usw.

Ja, Gabun ist durch seinen Reichtum auch ein beliebtes Einwanderungsland. Seltsamerweise gibt es eine auffällige Einteilung in den Berufen: Die kleinen Tante-Emma Läden, die es an jeder Ecke gibt, werden fast ausschließlich von Menschen aus Mali betrieben - "Le Malien" gilt praktisch als Synonym.
Die Taxifahrer kommen sehr oft aus Kamerun und viele kleine Restaurants werden von Senegalesen betrieben. Man kommt so in Gabun auch mit erstaunlich vielen unterschiedlichen afrikanischen Menschen in Kontakt. Da diese auch "fremd" im Land sind, kommen oft sehr offene Gespräche zustande. Ich verstehe mich natürlich besonders gut mit den Kamerunern, die immer fast ausflippen, wenn ich ein paar Worte Pidgin-English oder gar Lamnso sprechen kann.

Gabun ist übrigens eins der am stärksten urbanisierten Länder Afrikas: 82% Prozent der Menschen leben in Städten, Gabun liegt damit noch vor Schweden und den USA. Dadurch kommt es auch zu einer starken Durchmischung der Ethnien:
In Lambarene etwa leben Menschen aus zahlreichen verschiedenen Ethnien, weshalb auch die traditionellen Sprachen - anders als etwa in Kamerun - stark an Bedeutung verloren haben.

Nun könnte man meinen, Gabun wäre damit ja schon fast europäisch: Weit gefehtl!
Der traditionelle Glaube ist unter den Menschen zumindest hier in Lambarene lebendig wie eh und je: Die Geister der verstorbenen Ahnen beherrschen den Alltag ebenso wie Dämonen, Meerjungfrauen und Vampire. Einen großen Stellenwert haben in bestimmten Ethnien die Initiationsriten: Hierbei werden einzelne Personen in bestimmte Kreise oder Glaubensgemeinschaften eingeführt. Meist handelt es sich um nächtliche Feste mit viel Tanz und mit Eboga - einer halluzinogenen Wurzel, die die Initiationskandidaten in einen "Zustand höherer Erkenntnis" versetzt. Besonders viel habe ich dazu bisher allerdings noch nicht erfahren - mehr dazu in einem extra Blog.

Ihr seht also, Gabun ist ein Land, dass immer wieder durch seine Widersprüche erstaunen kann, zum Guten oder zum Schlechten.
Soviel mal als Fazit und falls ihr neugierig geworden seid, freu ich mich über eure Kommentare.
Oder kommt doch mal zu Besuch und macht euch selbst eine Meinung...ich freu mich immer :-)
Liebe Grüße,
Jonathan

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danke ...
Hallo Jonny,

danke für Deine tollen Hintergrundinfos aus Gabun. Es ist viel zu lesen aus diesem großen Kontinent, aber Geschichten aus 1. Hand haben einen besonderen Stellenwert.
Schaue immer wieder mal in Deinen Blog.

Die erschreckenste Geschichte die mir bislang untergekommen ist:
Erdbeeren in Afrika für den europ. Markt angebaut, wurden von den Feldarbeitern selbst nicht angerührt, weil diese so behandelt wurden, das man krank davon wurde. Dann umgekehrt diese subventionierten EU-Importe für viele Einheimische unerschwinglich - man möchte weinen, was auf unserem Planeten abscheuliches abgeht.

Hoffe Du konntest Deine Malaria vollends auskurieren ( Martin Blog ).

Alles Gute und großen Respekt ..
Bin auf weitere Geschichten gespannt.

Jochen OTH

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Hallo Jochen!
Schön was von dir zu hören! Wie gehts dir und deinen Kleinen? Packst du sie immer schön warm ein? :-)

Ja, manchmal können einen die Dinge hier schon in die Verzweiflung treiben. Aber dann kommt wieder unerwartet etwas unglaublich Schönes! Es ist wirklich ein Kontinent der Widersprüche...

Mir gehts gerade sehr gut, die Malaria ist schon lange wieder vergessen :-)
Machs gut und bis bald wieder,
Jonathan

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Hey hey
Hallo Johnny,

mir gefällt dein Blog sehr gut, sehr ausführlich Dargestellt und sehr vertiefende Informationen! Da reizt mich wirklich eine Reise in ein solches Land der Gegensätze. Zumal ich momentan gut Urlaub gebrauchen kann.
Wie ist eigentlich der Tourismus in Gabrun, gibt es Europäer die sich für einen Hotelurlaub dort leisten oder sind es eher Rucksacktouristen?

Herzliche Grüße aus Wien,
Max

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