Mittwoch, 14. November 2012
Arbeit im URM
Bonsoir tout le monde! On dit quoi?
(die "richtige" gabunesische Antwort lautet: on est la!)

Danke für die vielen Kommentare zum letzten Blogeintrag. Freut mich, dass so Viele interessiert sind.
Ich bin nun seit gut zwei Wochen hier, es kommt mir aber schon sehr viel länger vor! Ich verbringe tagsüber sehr viel Zeit im sog. Unité de Recherche Medical de l'Hopital Albert Schweitzer - kurz URM. Das liegt daran, dass ich einen großen Teil der Aufgaben in unserer Studie bereits übernehme. In ca. einem Monat reist meine Betreuerin Sabine ab und wird dann nur noch per Mail erreichbar sein, bis dahin muss ich also alleine zurechtkommen.

Unsere Studie soll die Epidemiologie - d.h. die Verbreitung - der Tuberkulose in Gabun untersuchen. Gleichzeitig soll festgestellt werden, wie die Therapie anschlägt, welcher Anteil der Bakterin bereits Resistenzen gegenüber den Medikamenten gebildet hat und ob die Patienten sich an die Therapievorgaben halten. Die Studie ist die Erste zur Tuberkulose in dieser Region und soll als Grundlage für weitere Studien (z.B. zu neuen Medikamenten oder Impfungen) dienen.


Einer unserer Patienten zuhause etwas außerhalb von Lambarene

Einige Worte zur untersuchten Krankheit:
Die Tuberkulose (auch Tb oder Schwindsucht) ist eine bakterielle Infektion, die über die Luft übertragen wird und meist die Lunge befällt. In Deutschland ist die Tb sehr selten geworden, in Afrika grassiert sie leider unbehindet, was zum Einen an der schlechten Gesundheitsversorgung liegt, zum Anderen daran, dass besonders Menschen mit einem geschwächten Immunsystem gefährdet sind: Ca. 30% der Tb-Patienten sind gleichzeitig HIV positiv.
Im Prinzip gibt es seit über 60 Jahren wirksame Medikamente (Antibiotika) gegen die Tuberkulose, die Schwierigkeit liegt allerdings darin, dass diese über einen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr kontinuierlich eingenommen werden müssen, ansonsten bilden sich resistente Formen der Tb.


Der Krankenwagen des Albert-Schweitzer-Hospitals

Für die Menschen hier ist die Behandlung sowohl vom Verständnis, als auch vom Aufwand her eine große Herausforderung. Die Medikamente gibt es zwar glücklicherweise umsonst, die ganzen Vor -und Nachuntersuchungen sowie die Fahrten ins Krankenhaus müssen aber bezahlt werden. Eine Krankenversicherung hat praktisch Niemand.
Bei einigen Patienten hatte ich bisher auch das Gefühl, dass sie den Sinn einer medikamentösen Behandlung gar nicht verstehen. Die meisten geben zwar der "Autorität" eines Arztes gegenüber an, sich an alle Vorgaben halten zu wollen ("Oui, docteur!"), wieviele letztendlich aber ihre Therapie abbrechen oder zum traditionellen Heiler wechseln, lässt sich aber nur erahnen.

Nach all der Theorie nun nochmal zu meinen konkreten Aufgaben:
Ich fange praktisch möglichst alle Patienten ab, bei denen in der Ambulanz des Albert-Schweitzer-Hospitals eine Tuberkulose vermutet wird. Ich biete ihnen dann an, die Diagnostik statt im Krankenhaus kostenlos im Rahmen einer Studie zu machen. Falls die Patienten zustimmen (was praktisch alle tun), werden sie in unserem Behandlungszimmer untersucht. D.h. Anamnese, körperliche Untersuchung, Blutabnahme mit HIV-Test, Röntgenaufnahme, Sputumuntersuchung und ein sog. Tuberkulintest.


Unser Behandlungszimmer

Falls diese Ergebnisse für eine Tuberkulose sprechen, werden die Patienten zurück in die Klinik geschickt und dort behandelt. Jeweils 2 und 6 Monate nach Therapiebeginn rufe ich die Patienten auf dem Handy an, um zu fragen, ob sie ihre Therapie durchgezogen haben und ob diese angeschlagen hat. Unsere "Field-workerin" Grace fährt außerdem noch zu den Patienten nach Hause, um die GPS-Daten der Tuberkuloseherde zu erfassen und die Mitbewohner der Patienten ebenfalls für eine Untersuchung zu uns einzuladen.
Alle Befunde muss ich nach einem festgelegten Schema dokumentieren, um sie nachher auswerten zu können. Insgesamt soll der Verlauf von 200 Patienten verfolgt werden. Klingt jetzt vlt. nach gar nicht soviel Arbeit, aber es ergeben sich immer wieder ungeahnte Probleme: Z.B. können einige Patienten nicht lesen, haben kein Telefon oder kein Taxigeld, die Medikamente gehen aus, und und und...
Trotzdem bin ich bisher sehr zuversichtlich, da die Studie schon seit knapp einem halben Jahr läuft und meine Betreuerin wirklich sehr unkompliziert und zuverlässig ist. Außerdem ist die Arbeit sehr abwechslungsreich: Klinische Entscheidungen treffen, Patientengespräche führen, Daten auswerten...von Allem ist etwas dabei.


Das (immer etwas zu stark klimatisierte) Labor

Ich denke, nun habt ihr ein ganz gutes Bild von der Arbeit hier, ich hoffe es war nicht zu viel auf einmal. Ich freu mich über Anmerkungen oder Fragen in den Kommentaren.

Liebe Grüße aus dem (immer noch unglaublich heißen) Lambarene
Jonathan

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spannend!
Hallo Jonathan,
das hört sich sehr sinnvoll an! Freu mich, dass Du eine Arbeit mit so großem unmittelbaren Nutzen machst. Als Geograph finde ich natürlich die GPS-Erhebung besonders spannend, mit der die räumliche Verteilung der TB erfasst wird. Wünsch Dir viel Erfolg!
Viele Grüße aus Berlin
Martin R.

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