Sonntag, 25. Oktober 2015
Retour à Lambaréné
Liebe Freunde und Bekannte,
über zwei Jahren ist meine letzte Nachricht aus Afrika her. Seitdem ist einiges passiert: Ich bin zu Katharina nach Rostock gezogen, habe in der dortigen Klinik mein Praktisches Jahr gemacht und dieses Jahr mein Studium beendet. Als nun gerade die Suche nach der ersten Arbeitsstelle bevorstand, erreichte mich überraschend eine Anfrage aus Lambaréné: Dort werde dringend ein Arzt gesucht, der die Durchführung verschiedener Studie im dortigen Forschungszentrum nahe des Albert-Schweitzer-Krankenhauses übernehmen könne. Nach reiflicher Überlegung entschloss ich mich, ein weiteres halbes Jahr „zwischen Wasser und Urwald“ zu verbringen. Da ich nun ja schon etwas Erfahrung mit dem Leben in den Tropen habe, gestalteten sich die Vorbereitungen unkompliziert und am 30. September saß ich im Flieger nach Gabun.

Spät abends kam ich in Libreville an und atmete die vertraut schwülwarme Luft Äquatorialafrikas ein. Am Strand des Hotel Tropicana direkt am Flughafen empfing mich der Atlantik mit beruhigendem Wellenrauschen. Leider konnte ich mir keinen Badetag genehmigen, denn direkt am nächsten Morgen ging es weiter ins Landesinnere nach Lambaréné.

Die ersten Tage in der Kleinstadt am Ogowe waren sehr Erlebnis –und Begegnungsintensiv: Viele neue Gesichter prägen inzwischen das Forschungszentrum und Albert-Schweitzer Krankenhaus, aber es gab auch viel herzliches und teilweise überraschendes Wiedersehen. Ich bezog mein neues Haus, welches nun nicht mehr auf dem Krankenhauscampus, sondern im Stadtteil Atongowanga (In der Landessprache Fang: „aufgehende Sonne“) liegt. Es ist ein für hiesige Verhältnisse hypermodernes Haus mit Klimaanlage und eigenem Badezimmer für jedes Zimmer! Meine Mitbewohner sind drei GabunerInnen und zwei andere Deutsche und ich freue mich auf ein geselliges WG-Leben während der nächsten sechs Monate.


Mein noch etwas steril wirkendes Zimmer


Mit großer Freude vernahm ich, dass für die Mitarbeiter des Forschungszentrum noch immer eine Piroge bereitsteht und das erste Wochenende nutzte ich sogleich, um zusammen mit zwei Forscherinnen auf eine Sandbank im Ogowe zu fahren und dort zu zelten. Wie erleben hier die letzten Tage der Trockenzeit und noch zeigt sich der Fluss in seiner vollen Schönheit: Inmitten von seichtem Wasser, Sandbänken, Palmen und artenreicher Tierwelt fühlt sich das Leben an wie in einer Traumlandschaft.


Auf einer Sanbank im Ogowe

Meine Arbeit dreht sich nun vor allem um die Behandlung der Malaria und ich bin Teil eines großen Teams, das sich aus mehreren ÄrztInnen, StudentInnen, Krankenschwestern und sogenannten field workern zusammen setzt. Die Studien sind sehr arbeits- und zeitintensiv, aber die Aufgaben machen Spaß und es herrscht eine tolle Atmosphäre in unserer Arbeitsgruppe. Die Durchführung von Medikamentenstudien ist eine durchaus delikate Angelegenheit und eine regelmäßige Überprüfung der ethischen Vertretbarkeit und Sinnhaftigkeit unserer Behandlungen ist unerlässlich. Die Entwicklung neuer Medikamente gegen die Malaria ist allerdings weltweit von höchster Bedeutung und falls die Ergebnisse unserer Studien positiv ausfallen, könnte es erstmals die Möglichkeit geben, Malaria mit einer Einzelgabe von Medikamenten zu behandeln, statt wie bisher über den Zeitraum mehrerer Tage. Dies ist insbesondere für entlegene Gebiete in den Tropen von Bedeutung, in denen die Menschen teilweise die Therapiekonzepte der westlichen Medizin nur schwer nachvollziehen können und oft von den vorgegebenen Dosierungen abweichen. Dies wiederum birgt neben der Gefahr der unzureichenden Behandlung auch das Risiko von Überdosierungen und Resistenzentwicklungen gegen die vorhandenen Medikamente. Durch eine einmalige Medikamentengabe lässt sich sicher stellen, dass auch in diesen Regionen genau die Dosis verabreicht wird, die erwiesenermaßen nötig ist, um eine Malariainfektion erfolgreich zu behandeln. Daher halte ich unsere Arbeit für sehr sinnvoll und werde in dieser Ansicht auch durch das Engagement unseres gabunischen Arbeitsgruppenleiters bestärkt.

Zum Abschluss möchte ich noch von einer traditionellen Feier berichten, an der ich zusammen mit meinem Mitbewohner Moritz und einer einheimischen Freundin, Grace, teilnahm. Grace‘ Mutter ist eine angesehene traditionelle Heilerin und die Zeremonienmeisterin bei allen Feiern und Ritualen in ihrem Dorf. Die benannte Feier war eine Art Erntedankfest und diente der Danksagung an die Geister der verstorbenen Urahnen, die nach einheimischem Glauben das Geschehen auf der Welt maßgeblich mitbestimmen. Alle Geister unterstehen der Dreifaltigkeit Gottes und alle Anwesenden GabunerInnen sind gläubige ChristInnen. Für uns war es spannend zu sehen, wie sich die Menschen (uns eingeschlossen) bemalten und verkleideten, um die Geister auf sich aufmerksam zu machen. Spät in der Nach begann dann Trommelmusik und Tanz und mithilfe von Iboga, einer hier weitverbreiteten halluzinogenen Wurzel, tauchten die Teilnehmer in eine Trance, die bis ins Morgengrauen anhielt. Grace‘ Mutter fungierte schließlich als Medium, über welches die Stimmen der Geister zu uns sprachen. Mir persönlich wurde von einem Geist (in Form von Grace‘ Mutter) eine gute Zeit in Gabun und viel Erfolg bei meinen Aufgaben gewünscht.


Grace' Schwester bei der Vorbereitung auf einen traditionellen Tanz

Soweit ein erster Eindruck von meinen Erlebnissen. Ich freue mich immer, auch etwas von euch zu hören. Ihr könnt mir entweder hier in den Kommentaren schreiben, auf meine neue Email-Adresse jonathan.remppis[ät]posteo.de oder auf meine gabunische Handynummer +241 04120209. Das normale Kommunikationsmittel vor Ort ist inzwischen übrigens WhatsApp.

Bis bald oder wie man hier sagt: On est ensemble
Jonathan

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